007 - Mit der Lizenz zum Schütteln


Der Leiter des britischen Geheimdienstes, ständig und rund um die Uhr im Einsatz für ihre Königliche Majestät, warf einen nachdenklichen Blick auf das soeben eingegangene Dossier. Es handelte sich wieder einmal um einen äußerst delikaten Auftrag, welchen er seinem Spitzenagenten anvertrauen wollte.

Mit Argusaugen wachte er über die inzwischen geschrumpfte Anzahl von Doppel-Null-Agenten. Der letzte Einsatz, der in einem absoluten Desaster gipfelte, kostete 005 und 006 das Leben. Trotzdem erforderte der vor ihm liegende Auftrag wiederum den Einsatz zweier Agenten. Er machte sich nichts vor - er rechnete bereits im Voraus mit Komplikationen. 007 akzeptierte nie einen Partner.

Er drückte auf die Gegensprechanlage.

"Miss Granger, beordern Sie 007 sofort zu mir."

"Das kann aber eine Weile dauern, Sir."

Das kam für seine Ohren eine Idee zu schnippisch und verträumt und - es erschien ihm, als ob er störte.

"Granger", knurrte er, "schubsen Sie 007 von Ihrer Tischkante und befördern Sie seinen Hintern HIERHER. War das deutlich?"

Statt der erwarteten Antwort schwang die Tür auf und 007 stand frisch geputzt und aalglatt vor ihm. Mit seinem altbekannten halbseitigen Grinsen und Haaren, die vermuten ließen, dass sein Styling-Gel von der NASA entwickelt wurde. Denn die Haare krochen der Gravitation noch ein Stückchen entgegen. Bei M hinterließ diese Haarpracht immer den Eindruck, als ob sein Spitzenagent sich eine Ölflasche über dem Kopf entleerte. Tagtäglich.

"Guten Morgen, 007. Ich staune doch immer wieder, wie schnell Sie sich von Miss Granger lösen können." Er räusperte sich. "Oder einer anderen Dame."

007 nahm im Sessel vor dem Schreibtisch Platz und verkündete sein Credo. "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Sollte diese rudimentäre Weisheit nicht eingehalten werden können, tut man gut daran, beides zur gleichen Zeit zu erledigen."

M funkelte ihn an und enthielt sich jeglichen Kommentars. Stattdessen überreichte er seinem Agenten das Dossier.

"Diesmal geht es bis ans Ende der Welt, 007."

"Was", spottete dieser, "nicht in den Weltraum? Ich bin erschüttert. Außerdem würde ich mich glücklich schätzen, wenn Sie meinen Namen benutzten. Wenistens hier drin. Ich bin keine Nummer. EMMM."

"Das weiß ich, aber man kann ja nie wissen, 00- Severus."

M ärgerte sich, ärgerte sich blau-grün-gelb. Denn ausgerechnet dieses ‚EMMM' von Snape erinnerte ihn daran, dass es an der Zeit war, der Queen einen kleinen Hinweis zu geben, dass hier nicht mehr M saß, sondern A. Zu seinem Leidwesen hatte er nicht einen einzigen Vornamen, der mit M begann. Albus Dumbledore strich sich über seinen Bart und überlegte schon die Formulierung seiner Bitte, die er später Miss Granger diktieren wollte. Es kamen einige Buchstaben in Frage, aber kein M.

Obwohl ihn noch nie jemand gesehen hatte, schien er dennoch bekannt zu sein wie ein bunter Hund. Die Einsatzberichte seiner Agenten bewiesen dies. Vielleicht sollte er doch von seinem violetten Umhang Abschied nehmen…

"Nun, Severus, fertig? Noch irgendwelche Fragen? Nein? Dann ist es gut. Diesen Einsatz erledigen Sie gemeinsam mit 008…"

Weiter kam er leider nicht, denn er wurde rabiat unterbrochen.

"Niemals, niemals einen Partner. Und 008 erst recht nicht. Ich kann ihn nicht ausstehen."

"Das ist mit bekannt, mein Lieber, jedoch…"

"Ich bin kein "Lieber"." Snape spuckte das regelrecht aus. "Ich bin unausstehlich und ich glaube kaum, dass meine Vorgehensweise mit der von 008 konform geht. Meine Kreativität wird blockiert, wenn ich ihn in meiner Nähe habe."

"Trotzdem werden Sie zusammenarbeiten, basta." Wenn Dumbledore nicht mehr weiterwusste, ließ er einen Satz oder - in diesem Falle - eine Unterhaltung mit basta enden. Dann war sie zu Ende.

"Es wurden noch einige Dinge für Sie entwickelt, Sie werden begeistert sein. Begleiten Sie mich ins Labor, ich möchte bei der Demonstration anwesend sein."

Schicksalsergeben folgte Snape Dumbledore. Was blieb ihm schon übrig? Zwar musste er 008 mitnehmen, aber schließlich sprach nichts dagegen, wenn er ihn unterwegs irgendwie "verlor". Er glaubte, in dieser Hinsicht war keiner so kreativ wie er.

"Sie werden sehen, 00… Severus, dass die Q's insbesondere Dinge entwickelt haben, die Sie zur täglichen Pflege benötigen. Demzufolge wird nichts in Ihrem Kosmetikkoffer auffallen."

Snape fragte sich, seit wann Herren mit Kosmetikkoffern unterwegs waren… Dennoch musste ein Seitenhieb sein und damit seine Einstellung. Mit keineswegs gespieltem Entsetzen fuhr er auf.

"DIE Q's?! Nie im Leben lasse ich mir wieder irgendeine Erfindung von denen mit auf Reisen geben. Ich denke mit Grausen an das phosphoriszierende Furzkissen, das dem Gegner meine Position verraten hat. Wirklich genial! Und…"

Weiter kam er nicht, denn George und Fred Weasley unterbrachen ihn. In seiner Wut hatte Snape gar nicht registriert, dass sie bereits im Labor oder auch der geheimen Forschungsabteilung angelangt waren.

"Falsch, 007, wir haben aus unseren Fehlern gelernt."

Bei diesen Worten kreuzten alle beide Zeige- und Mittelfinger hinter dem Rücken.

"Diesmal wird es ein Furzkissen sein, welches unauffällig ihren Gegner erledigt, wenn Sie sich daraufsetzen."

"Toll, wirklich toll", knurrte Severus Snape, "und was passiert, wenn ich in weitem Umkreis keine Gelegenheit zum Setzen habe? Soll ich meinen Gegenspieler wie eine Schar Hühner hinter mir herlocken, bis ich endlich einen Stuhl gefunden habe?!"

"Dann können Sie mit den Händen daraufdrücken", kam es ziemlich lapidar.

"Und wenn ich mich mit beiden Händen irgendwo festhalten muss, weil ich 30 Fuß über der Erde schwebe?"

"Dann klemmen Sie es sich zwischen die Beine."

Dumbledore strahlte vergnügt, denn es war offentlichtlich, dass der Einfallsreichtum der Q's keine Grenzen kannte.

Die Geduld Snapes dagegen schon. Im Moment machte er den Eindruck, wenn man ihn mit etwas Weihwasser besprühte, würde eine fürchterlich stechende, rote Aura zu sehen sein.

Das eine Q wollte demonstrieren, dass sie diesmal wirklich etwas Effektiveres entwickelt hatten und griff zur Spraydose. Mit hoch erhobenem Zeigefinger warnte er.

"Nicht unter die Achseln!!"

Anschließend nebelte er 007 von oben bis unten ein - und man sah eine stechende, rote Aura.

"Das ist zum Beispiel für Gegner, die einen Tarnumhang tragen."

Snape fauchte. "Soll ich den ganzen Tag mit dieser Sprayflasche herumlaufen und auf Verdacht meine Umwelt besprühen?! Damit falle ich noch mehr auf als mit einem phosphoriszierenden Furzkissen. EMM, ich habs satt. Das sind keine Erfindungen, das ist Humbug. Ich frage mich, wieviel Geld die beiden abfassen."

Das andere Q quietschte vor Vergnügen und meinte: "Fred, du hast die Wette verloren. Er ist jetzt schon stocksauer."

Dann lief er auf ein längliches Gestell zu und entfernte die Plane.

"Darf ich vorstellen, ein 3er-Besen. Das Neueste vom Neuesten. Als Besen, Auto, Flugzeug, Teppich, U-Boot und Portschlüssel zu verwenden."

Anschließend erklärte er die verschiedenen Knöpfe, die in den Stiel eingelassen waren. Sie dienten zum Ausfahren der Räder, falls das Ding fahren sollte, sie sorgten für eine Bildung von Schwimmhäuten zwischen den Borsten, falls es unter den Meeresspiegel ging - und auch an die Errichtung einer Sauerstoffblase wurde gedacht, falls die Idee mit dem Weltraum nicht zu abwegig war.

Snape blieb davon unbeeindruckt. Denn was er auch bis heute geflogen war - es war trotzdem immer dasselbe. Beinahe. Er war sich sicher, dass die Q's auch diesmal für eine äußerst unangenehme Überraschung gesorgt hatten. Wie wäre es, wenn sie statt des Nummernschildes in schreiender Neonfarbe für seine Verfolger seinen Standardsatz sichtbar gemacht hatten? Wenn dort während der Flucht stand: "Mein Name ist Snape, Severus Snape". Er traute den Q's keinen Mikrometer über den Weg.

Seine Nase zuckte. "Waffen?"

"Aber natürlich!"

Aus den Q's wurden wieder die Q's, weil sie durcheinanderquasselten. Sie zählten die vollautomatische Bewaffnung auf. Jeder Spruch, dessen ein Zauberstab mächtig war, konnte per Knopfdruck ausgelöst werden.

Snape hatte nicht mehr die geringste Lust, sich auf zwei Mundwerke gleichzeitig zu konzentrieren. Dementsprechend energisch flogen Zahnpasta, Zahnbürste - er schüttelte sich - und Kiwi-Shampoo in seinen Koffer. Das Kiwi-Shampoo landete allerdings etwas sanfter, weil ihm diese suspekten Erfinder verraten hatten, dass es sich um Nitroglycerin handelte. Anschließend packte er den Besen und rauschte davon. Zum Büro von 008.

Unterwegs wurde er von unglaublicher Wut gepackt. Zusammenarbeiten, mit dem. Er schüttelte sich erneut. Nein, das würde er sich nicht gefallen lassen. Er war der einzige Agent mit der Lizenz zum Schütteln! Diese anderen Trottel rührten die Tränke immer noch, als ob ihnen nicht langsam bekannt sein müsste, dass man sie schüttelte. Zischend sog er die Luft durch die Zähne und fetzte durch den Gang.

Die Tür zum Büro von 008 stellte kein Hindernis dar. Er nahm nicht einmal die Klinke in die Hand. Mit voller Wucht trat er dagegen und registrierte zufrieden, dass sie nicht nur an die Wand krachte, sondern aus den Angeln gehoben wurde und malerisch durchs Zimmer segelte.

Ein verschrecktes Bürschlein namens 008 wollte sich unter dem Schreibtisch verkriechen, als Snape bellte:

"Harry, hol den Besen raus."